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Wie unverschämt! – Aber was genau?





Bereits seit der Gründung vor knapp 20 Jahren bieten wir in unserer Praxis eine reine Terminsprechstunde an. Die Gründe dafür sind vielfältig. Natürlich geht es dabei auch um Sie und Ihr Tier, liebe Kunden. Als ich noch Schülerin war und nur eine Katze hatte (jetzt habe ich eindeutig mehr 😊 Schicksal einer Tierärztin) habe ich meine Eltern gern bei Tierarztbesuchen begleitet. Unser damaliger Tierarzt hatte sogenannte freie Sprechstunden. Man dürfte also zwischen 15 und 18 Uhr „einfach reinkommen“. Und da saß man dann – in einem kleinen Wartezimmer zwischen Hunden, Kaninchen, anderen Katzen und vielen fremden Menschen. Wenn man Glück hatte, wartete man „nur“ eine Stunde. Bei richtig vollem Wartezimmer aber auch gerne mal drei. Ich mag mir den Stress für ein Kätzchen gar nicht vorstellen, wenn es lange Zeit neben dem großen Schäferhund sitzen muss. Auf Grund der Unachtsamkeit seines Besitzers schnüffelt der große Hund natürlich ständig interessiert an der Box und das kleine Fellknäuel quetscht sich zitternd und verzweifelt fauchend in die hinterste Ecke. Aber auch für mich als Kind forderte die lange Wartezeit eine gute Portion Geduld. Immerhin konnte ich in den 80igern nicht auf meinem Handy daddeln.


Die andere Seite aber sind meine Mitarbeiter, ich und meine Familie. Die Mitglieder einer Tierarztpraxis haben ohnehin nicht die tollsten Arbeitszeiten. Nie kommen wir vor 19:00 Uhr raus, denn viele Tierbesitzer stellen natürlich erst nach der Arbeit fest, dass etwas mit ihrem vierbeinigen Liebling nicht stimmt. Nun liegt es aber in der Natur der Sache, dass es in freien Sprechstunden von 15 – 18 Uhr gerne um 17:45 Uhr plötzlich voll wird. Und das führt unweigerlich dazu, dass die Arbeitszeit sich um unbestimmte Zeit verlängert. Man braucht nicht einmal moderne Worte wie „Work-Live-Balance“ oder „Burnout“, um zu verstehen, dass diese Arbeitszeiten nicht mehr zeitgemäß sind.


Meine Kunden kennen unser System nun seit Jahren. An manchen Tagen läuft es super, an anderen gibt es leider dennoch Wartezeiten. Das liegt einerseits an den „Könnten Sie vielleicht noch…“-Kunden, die mehr Probleme im Gepäck haben als bei der Termin-Anmeldung angekündigt. Andererseits kann schon ein einzelner Notfall zwischen den regulären Terminen unser System komplett sprengen. Notfall ist Notfall, Warten dann keine Option. Aber ich bin mutig genug zu behaupten, dass bei uns die Wartezeit oft weniger, manchmal doch und nur selten über 30 Minuten ist. Und ja, ich kann mich auch an Tage erinnern, an denen Kunden sogar eine Stunde oder mehr warten mussten. Aber diese Tage sind selten, die Wartezeit tut uns ehrlich leid und wir bieten den Kunden wenigstens eine Tasse Kaffee mit der entsprechenden Entschuldigung an.


Doch warum schreibe ich diesen Artikel? Wegen der „umgekehrten Wartezeit", heißt: Wenn Kunden uns unnötig warten oder sogar sitzen lassen. Natürlich kommt nicht jeder Kunde immer ganz pünktlich - wurscht! Oftmals jedoch lassen uns Kunden einfach hängen. Klar kann jeder mal einen Termin verschlampen – auch ich habe im stressigen Alltag mit Praxis und Kindern schon einmal einen Termin verschwitzt. Aber sehr oft machen Leute das ganz bewusst. „Es geht ihm ja wieder gut, also spare ich das Geld einer Nachbehandlung“, ist mal der Grund oder „In der Praxis im Nachbarort ist die OP 50 Euro billiger.“ Was auch immer die Gründe sind: Sagt halt ab! Absichtlich einfach nicht erscheinen geht einfach nicht. Es ist respektlos und schadet uns und anderen Kunden. Wir haben nur begrenzt Termine, müssen Kunden oft auf den nächsten Tag vertrösten. Versetzt ein Kunde uns, ist dieser Termin verloren. Wir sitzen dumm rum und können den Termin nicht weiter vergeben. Und weil wir uns gern Zeit für unsere Patienten nehmen, sind das nicht selten 30 Minuten Termine. Eine nicht abgesagte Kastration reißt dann schon ein Loch über ein bis zwei Stunden. Eine verpasste Zahn-Operation legt unsere Praxis schlicht einen ganzen Vormittag lahm. Und nicht nur das: Besonders OP-Termine erfordern ein hohes Maß an Vorbereitung inkl. sterilem Besteck, aufgebauter Narkose-Apparatur, Desinfektion des Raums und so weiter. Alles ist vorbereitet und der Patient erscheint einfach nicht? Das bedeutet unbezahlte Arbeitszeit und Verdienstausfall. Unsere OP-Termine sind zudem atrk begrenzt, deshalb bedeutet es darüber hinaus, dass ein anderes Tier auf seine OP unnötig warten muss, obwohl dieser Termin ja hätte freigegeben werden können.


Aus diesem Grund steht sowohl in unserem Anmeldeformular als auch in der OP-Einverständniserklärung ganz deutlich, dass Termine 24 Stunden vorher abgesagt werden müssen. Ansonsten berechnen wir eine Ausfallgebühr. Diese entspricht in der Höhe etwa dem Aufwand, den wir bereits betrieben haben. Theoretisch müsste ich den gesamten Ausfall berechnen. Aber das möchte ich ja auch nicht. Wir sind auch nicht besonders streng mit der Einhaltung unserer eigenen Regeln: Bei Krankheit oder einer netten Entschuldigung berechnen wir nichts. Wie gesagt vergesse ich auch schon einmal etwas. Wenn jedoch eine große OP bewusst verpasst wird oder ein längerer Termin vielleicht sogar gleich zwei oder mehrmals „verschwitzt“ wurde, ist das nicht mehr lustig. Wir hatten schon Kunden, die ihren Termin sage und schreibe sieben Mal hintereinander weniger als 30 Minuten vor Antritt abgesagt haben, weil sie „dann doch beruflich zu tun haben“. Da werde ich echt sauer. Meine dementsprechende Erklärung stieß auf Unverständnis. Schließlich würden sie auch öfter warten bei uns. Hä? Echt? Die Kunden bekamen keinen Termin mehr bei mir und aus.


Dennoch: Die Ausfallgebühr haben wir in den vergangenen 12 Jahren aus Kulanz nur selten berechnet. Und? Hatten die Leute Verständnis dafür? Weit gefehlt: Die Reaktionen reichten von sauer bis wütend. Manche legten auf, andere schimpften. Eine Entschuldigung kam selten und eher halbherzig. Und sehr oft wurde unsere Ausfallrechnung schlicht nicht bezahlt.


Ich möchte wirklich mal wissen, was diese Kunden gesagt hätten, wenn sie einen Termin bei gehabt hätten und im Wartezimmer erfahren, dass die Tierärztin heute nicht mehr im Haus ist: 'Oh, tut mir leid', könnte meine TFA sagen, 'wir dachten, Ihr Tier bräuchte die Nachbehandlung nicht. Sorry, haben wir vergessen, Bescheid zu geben.'


Was meinen Sie? Ist unser Vorgehen mit der Ausfallgebühr berechtigt? Ja? Nein? Ich finde das Verhalten dieser Kunden schlicht unverschämt. Ich beende jetzt diesen Artikel, denn ich muss in die Sprechstunde. Och, oder vielleicht geh ich doch lieber ins Freibad. 

 
 
 

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