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Lapudoggle oder der Rassenwahn-Betrug

Vor mir sitzt ein zitterndes, winziges Bündel – das fluffige, weiße Haar steht ihm in langen Strähnen vom Körper ab in alle Richtungen. Es ist dünn, das Fell, das nicht Fell heißen darf und die hervorstehenden Knopfaugen schauen aus dem viel zu kleinen Köpfchen mit der deformierten Stirn. Ein … Hund, also fast, vielleicht irgendwann. „Ist er nicht süß?“, fragt die stolze Besitzerin des winzigen Designknäuels. ´Oh Gott, der arme kleine Kerl`, denke ich gleichzeitig und lächle tapfer. „Süß ist er“, antworte ich dann einlenkend. „Und Mischlinge sind ja oft gesünder“, ergänze ich, um etwas Nettes zu sagen. Die Dame vor mir guckt leicht pikiert. „Das ist kein Mischling, das ist ein reinrassiger Chiboteser“, erklärt sie. „Wir sind 600 Kilometer zu der Züchterin gefahren. Sie ist die Einzige in Deutschland, die diese Rasse züchtet.“ Ich habe nur `Tchibo´ verstanden und wage nicht, nachzufragen. „Was bezahlt man denn für so einen Tchi… äh, Rassehund?“, frage ich unschuldig. „Er sollte 2000 Euro kosten“, antwortet sie, ohne mit der Wimper zu zucken, „aber die Züchterin ist 200 Euro runtergegangen, weil wir dem Schatz ein so gutes Zuhause geben.“ Ich ziehe scharf die Luft ein – uiii, teuer. Und dann schlüpft es aus mir raus, bevor ich es aufhalten kann: „Wow, ein echt teurer Mischling.“ Unwillkürlich trete ich einen Schritt zurück. Und richtig: Die folgende Unterhaltung ist weniger erfreulich. Am Ende versteht die Dame zumindest, dass sie keinen wertvoller Rassehund besitzt. „Aber wie gesagt“, sage ich so überzeugend wie möglich, „Mischlinge sind meist gesünder.“ Ich glaube das selbst nicht so ganz, wenn ich dieses zitternde Etwas vor mir sehe, dessen Fell mich irgendwie an Albert Einstein erinnert. Aber darüber sprechen wir dann in ein paar Jahren – oder Monaten. Wir sind fertig mit der Impfung. Ich präsentiere der Dame die Rechnung, 115 Euro. „So teuer?“, fragt sie, schüttelt den Kopf und bezahlt. ´Echt jetzt?` denke ich, sage aber nichts mehr. Für heute ist die Dame schon genug gestraft.



So und so ähnlich könnte sich das wirklich in unserer Praxis abspielen, denn mehr und mehr „Wunderrassen“, „Designerhunde“ und „seltene Züchtungen“ überschwemmen das Land. Aber meist halte ich mich mit allzu offenen Worten zurück und warne nur vor den Folgen unbedachter Kreuzungen aus Rassen wie dem Mops, Bulldoggen oder ähnliches. Denn was hilft es, das Kind ist ja nun schon in den Brunnen gefallen. Ja, die Zahl der „Züchter“ ist groß - vor allem seit Corona, wo alle auf den Zug des einträglichen Hundevertriebs aufgesprungen sind. Denn plötzlich kaufte jeder einen Hund, der vorher keine Zeit dafür hatte. Der Welpenmarkt war schnell leer, also wurde vermehrt, was das Zeug hält. Und für die Erfindung neuer „Rassen“ sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Maltipoo, Labradoodle, Schnoodle, Puggle, Frops, Cockapoo, Yorkipoo, Morkie, Berniedoodle, Aussiedoodle… und viele mehr schießen wie die Pilze aus dem Boden. Und das Beste? Die einträglichen Zuchtexperimente brauchten nicht einmal Vorkenntnisse oder Kapital. Während jedes Elternteil einer von Zuchtverbänden anerkannten Rasse teure Untersuchungen zur Zuchttauglichkeit vorweisen muss, dürfen unsere neuen Hundesmarties ohne all das loslegen. Was nicht anerkannt ist, hat keine Standards und ergo auch keine Vorschriften. Hüftdysplasie, Zahnfehlstellungen, Wirbelfehlbildungen, krumme Beine, kurze Nasen, trockene Augen – wen interessierts? Zuchtpapiere werden ja völlig überbewertet. Von all den „Designerrassen“, die mir in den letzten Jahren vorgestellt wurden, hatten allenfalls 10% wenigstens die notwendigsten Untersuchungen oder wenigstens eine Impfung.


Nun, der neue Markt ist nicht mehr so einträglich wie zu Coronazeiten, aber es gibt immer noch die, die den großen Reibach machen. Wie das geht? Ganz einfach: Das knuddelige Bolonka-Mädchen von Frau Mustermann hat ein kurzes Tetátet mit Nachbars reinrassigem Jack-Russel-Terrier. Nur 60 Tage später werden sie geboren, die reinrassigen Bolussel-Welpen. Schnell noch einen Charakter gestrickt aus den besten Eigenschaften beider Rassen und einer erfolgreichen Vermarktung steht nichts im Wege. „Kaufen Sie einen Bolussel. Anhänglich, ruhig und familienfreundlich wie ein Bolonka und dennoch so sportfreudig, laut und lebendig wie der Jack Russel. Jagdtrieb? Nein, den haben wir bei der Verpaarung weg gelassen.“ Und da diese Rasse nagelneu und nur bei diesem Züchter zu bekommen ist, kostet ein Welpe 2000 Euro.


Hey Leute, echt jetzt? Früher nannte man das einen Unfall. Und wer es noch nicht ahnt: Diese Vermehrer sind auch keine Züchter. Sie bringen echte Züchter, die verantwortungsvoll voruntersuchte, geimpfte Welpen von gesunden Elterntieren zu vernünftigen Preisen auf den Markt bringen, eher in Verruf. Ich sage es ganz deutlich: Wer einen solchen Hund als neue oder besondere Rasse kauft, lässt sich nach Strich und Faden veräppeln. Und wer sich derart veräppeln lässt, gibt dem Betrug, der hier betrieben wird, einen Nährboden.


Mein Ziel ist es keineswegs, den Kauf eines Mischlings zu verhindern. Aber wer die Katze oder vielmehr den Hund im Sack kauft, erlebt oft böse Überraschungen. Hier gilt es, Mindestanforderungen zu stellen: Sind die Elterntiere gesund, frei von Qualzuchtmerkmalen wie Knocherkrankungen, Deformierungen (ob Nase, Beine oder Rücken), sind sie vor der Verpaarung untersucht worden und regelmäßig geimpft und entwurmt? Und auch die Welpen sollten tierärztlich untersucht, mehrfach entwurmt und in der 8. Woche geimpft sein. Schön wäre auch ein Chip und ein Heimtierausweis. Und: Ein Hund ohne Zuchtpapiere darf meiner Meinung nach auf keinen Fall über 1000 Euro kosten.

Und weil man es einfach nicht oft genug sagen kann: Versichern Sie ihren Hund zumindest gegen teure Operationen. Denn ein Beinbruch kann schnell mehrere 1000 Euro kosten. In diesem Sinne: Augen auf beim Hundekauf!

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