Und dann ist es plötzlich still…
- Vet-Mum

- 13. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Es ist passiert. Das, wovor ich seit 19 Jahren in eigener Praxis immer Angst hatte. Nach 22 Jahren als Tierärztin habe ich zum ersten Mal einen Hund während einer Narkose verloren. Ich kann mit Worten kaum ausdrücken, was ich fühle.
Dabei verlief der Morgen ganz normal: Wir haben vor dem Narkose-Termin eine Blutuntersuchung gemacht, am Tag der OP das Herz noch einmal gründlich abgehört und für gut befunden. Die einleitende Sedierung führte schnell zum Erfolg und wir legten einen Venen-Zugang. Dann begannen wir, alles zum Intubieren unseres Patienten vorzubereiten. Doch es fiel auf, dass die Atmung, bisher kräftig und gut, schwächer wurde. Zudem wurden die Schleimhäute blass-bläulich. Wir legten die Atemwege frei, intubierten und begannen umgehend mit einer Beatmung. Parallel überwachten wir das Herz, das schwächer und schwächer wurde. Das EKG piepste lautstark Alarm und die Sauerstoffsättigung fiel. Sofort leiteten wir alle Notfall-Maßnahmen ein: Antagonisation der Narkose und Medikamente zur Kreislaufanregung i.V. Das Herz aber wurde im gleichen Maß langsamer, wie die Alarme der Geräte lauter wurden. Wir leiteten eine Herzmassage ein und erhöhten die Dosis der Medikamente. Doch das Herz blieb trotz aller Maßnahmen stehen. Nach zehn Minuten Kampf gegen den Herzalarm mussten wir uns geschlagen geben. Unser Patient war verstorben. Wir standen alle wie betäubt um den kleinen Hund herum, der uns nun nie wieder freudig begrüßen wurde. Wir waren wie erstarrt. Niemand bewegte sich. Nur das EKG schrie weiter seine Warnung in den Raum. Erst Minuten später schaltete unsere TFA das Gerät ab und plötzlich war es ganz still im Raum. Im ersten Moment fühlte es sich an, als wäre auch mein Herz stehen geblieben.

‚Wir haben sie verloren, wir haben sie verloren‘, war das einzige, was sich immer wieder in mein Kopf drehte, alles war dumpf. Ich merkte zunächst gar nicht, dass mir die Tränen über die Wange liefen, bis meine TFA mich in den Arm nahm. Auch ihr standen die Tränen in den Augen und unsere Thekenkraft atmete konzentriert, um nicht ebenfalls in Tränen auszubrechen. Diese Schockstarre dauerte gefühlt Stunden. Doch ich wusste, dass ich etwas unternehmen musste. Und mir war klar, was das war: Ich musste das erste Mal in meiner Laufbahn einem lieben Kunden erzählen, dass wir seinen Hund verloren hatten. Doch wie? Was sind die richtigen Worte? Mein Kopf fühlte sich an wie mit Watte gefüllt und ich hatte einen großen schweren Stein im Magen.
Das Gespräch kurz halten, so hatte ich es gelernt und am Ende habe ich die Nummer gewählt und das Unvermeidliche getan. Die Besitzer reagierten gefasst, aber natürlich traurig und geschockt. Sie kamen in die Praxis und verabschiedeten sich von ihrem Liebling. Ich sprach mit ihnen wie im Traum, erklärte, was passiert war und sprach mein Beileid aus. Dann musste ich noch eine volle Sprechstunde führen. Es fiel mir schwer, nicht jeden merken zu lassen, wie tief der Schock und meine Trauer saßen und die Tränen zurück zu halten.
Nun bin ich zu Hause. Immer noch bin ich in der „hätte ich doch“ und „warum hab ich nicht“ Phase und drückt der Stein in meinem Magen. Ich bin zutiefst traurig und auch noch ein bisschen im Schock. Alles fühlt sich leicht dumpf an. Natürlich haben wir in der Praxis ein Krisengespräch geführt, haben analysiert, was wir hätten besser machen, wo wir hätten schneller reagieren können. Das Ergebnis ist sicher, dass ich keinen älteren Hund mehr ohne vorherige Herzultraschall-Untersuchung in Narkose legen möchte und auch einige andere Prozesse werden wir leicht verändern.
Was aber bleibt ist, dass wir Tierärzte uns alle nicht 100% davor schützen können, dass das irgendwann passieren kann. Ich hatte das Glück, 19 Jahre verschont zu bleiben. Andere Kollegen hatten weniger Glück. Ich fürchte mich nun schrecklich vor der nächsten Narkose. Und ich versuche mir immer wieder einzureden, dass das passieren kann und nicht wieder passieren muss. Das ist mal wieder einer der Momente, wo ich mich frage, warum ich nicht Postbotin geworden bin oder Beamtin. Am liebsten möchte ich grad nie wieder einen Hund in Narkose legen. Wenn ich meinen Job nicht so lieben würde, hätte ich wohl längst aufgegeben. Denn die psychische Belastung durch die Verantwortung ist manchmal wirklich groß, sehr groß.
Mein Herz ist bei den Angehörigen des kleinen Hundes. Und mein Herz ist bei dem kleinen Hund, der mir als sehr lieber Schatz immer traurig in Erinnerung bleiben wird. Gute Reise, kleiner Schatz!



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