Diese Geschichte ist schon eine Weile her, aber sie hat mich in meiner Eitelkeit schwer gekränkt. Ich war damals noch nicht sehr lange Tierärztin mit eigener Praxis. Heute – einige Jahre später – weiß ich, dass nicht der Vorfall selbst mich gekränkt hat, sondern die Tatsache, dass er genau das verbildlicht, was wir Tierärzte in den Augen vieler Menschen darstellen. Aber lest selbst:
Ich hatte meine Praxis erst einige Jahre, als ich dringend ein Medikament für einen Hund brauchte. Dass das so schwierig werden würde, hatte ich nicht geahnt. Denn es war ein Medikament, dass es nicht speziell für Tiere gibt, also musste ich auf ein humanmedizinisches Präparat zurückgreifen.
Grundsätzlich ist es Tierärzten erlaubt, Medikamente für Menschen einzusetzen – immer dann, wenn es sich um einen Behandlungsnotstand handelt. Das bedeutet, dass entweder gerade kein Präparat für Tiere verfügbar ist oder es schlicht keines gibt. Da es sich im Falle meines Patienten um einen Notfall handelte, bestellte ich das Medikament ausnahmsweise nicht im Großhandel, sondern ging direkt in die Apotheke am Ort.
Hinter der Theke der Apotheke stand eine sehr junge Dame in weißem Kittel. Sie war klein, aber hübsch und wirkte durchaus selbstbewusst. Ich zeigte ihr meinen Tierarztausweis und bat um eine Packung der benötigten Tabletten. Sie musterte mich misstrauisch und sagte dann: „Das ist Medikament für Menschen…“ Äh, ja… deshalb war ich schließlich hier. „Das weiß ich,“, antwortete ich also mit hochgezogener Augenbraue, „aber ich brauche es für einen Hund.“
Das Mädel – sie war gut 20 Jahre jünger als ich – ließ sich nicht beeindrucken. Sie schaute mir direkt an und sagte: „Als Tierarzt dürfen Sie nur Medikamente für Tiere benutzen!“ Diese Aussage schlug mir kurz ins Gesicht wie kaltes Wasser. Leider ließ ich mich damals immer wieder von Menschen mit scheinbarer Autorität beeindrucken. Doch ich holte kurz Luft, besann mich meines Jobs und fand meine Sprache schnell wieder. „Ich bin Ärztin und Sie arbeiten in einer Apotheke. Sie dürfen meine Verordnung nicht anzweifeln,“, antwortete ich fest. Ich empfand einen kurzen Moment Stolz in mir. Ich hatte meine Rolle vertreten.
Doch mit der folgenden Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Denn das kleine Fräulein hob ihre Nase hoch in die Luft und blickte mich von oben herab an – erstaunlich, wenn man bedachte, dass sie knapp 10 cm kleiner als ich war. „Sie sind ja gar keine echte Ärztin, Sie sind da nur Tierärztin,“, spuckte sie mir entgegen und verschränkte die Arme…
Zack, da wusste ich das nun also auch. Ich muss zugeben, dass ich zunächst erneut sprachlos war. Doch nun siegte eine Mischung aus Unsicherheit, aufgesetztem Selbstbewusstsein mit Arroganz und verletztem Stolz. Also blickte ich sie – wider meine Natur – von oben herab an und fragte: „Sind Sie Apothekerin?“ „Nein,“, antwortete sie, „ich bin Auszubildende.“ Und da platzte es aus mir heraus, ohne dass ich es geplant oder selbst von mir erwartet hätte: „Warum rede ich dann überhaupt mit Ihnen?“, sagte ich nämlich, „Holen Sie Ihre Chefin!“ Ich erntete noch einen kurzen bösen Blick und dann verschwand die junge Lady im Hintergrund.
Nach wenigen Minuten trat sie wieder an die Theke und sagte kurz angebunden: „Die Chefin erlaubt mir, Ihnen das Medikament zu geben.“ Ich sparte mir einen jeden Kommentar, bezahlte und ging. Aber ich wusste, ich hatte einen Sieg für die Tierärzte errungen. Ich wusste nicht einmal, dass ich das musste. Aber nun, da ich es geschafft hatte, war es ein verdammt gutes Gefühl.
Im Nachhinein schüttelte ich noch lange den Kopf über dieses Ereignis – teils wegen des unverschämten Auftritts der jungen Dame, teils wegen des Gesprächsverlaufs und meiner „Arroganz“, die mich in diesem Moment gerettet hat.
Es sind nun mehrere Jahre vergangen – viele Jahre – und ich weiß heute, dass wir Tierärzte leider immer noch vor der Problematik stehen, als vollwertige Ärzte anerkannt zu werden. Aber was wirklich hinter unserem Job steckt und warum wir uns so von Humanmedizinern unterscheiden erfahrt Ihr in einem meiner nächsten Artikel… 😊
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