Manchmal laufen unsere Termine anders als gedacht. Leider häufig schlechter, aber manchmal werden wir auch positiv überrascht.
Es war ein trüber Tag Anfang Dezember. Ich fuhr zu einem Kunden. Vorbericht war: bei einer Kalbin (eine Kuh, die ihr erstes Kalb bekommt) hängen ein paar Wochen vor Geburtstermin Nachgeburtsteile aus der Scheide. Der Bauer hat kein Kalb gefunden. Er vermutet, dass die Kalbin verworfen hat und möchte wissen, ob er sie zum Schlachten geben kann.
Klingt hart? Ja, tut es. Der Hintergrund ist der, dass eine Jungkuh, die vor der Zeit verkalbt, meistens keine Milch gibt. Ich sollte die Kuh also untersuchen, ob das tote Kalb vielleicht noch in der Gebärmutter ist und ob ich die Nachgeburt entfernen kann. Keine schöne Aufgabe.
Ich kam an den Stall, sprach kurz mit dem Landwirt und zog meinen Geburtskittel an. In der Zwischenzeit fing der Bauer das nervöse Tier ein und machte es fest. Tatsächlich ließ der erste Anblick nichts Gutes vermuten. Die Nachgeburt hing raus und sah auch nicht mehr ganz frisch aus. Ich atmete einmal tief durch und fasste dann in die Kuh.
Relativ schnell bekam ich ein Bein, eher ein Beinchen zu fassen.
„Kalb ist noch drin. Ist aber winzig, sollte also kein Problem sein, es raus zu ziehen.“, sagte ich zu dem Landwirt und zog auch schon. Und war sehr erstaunt, dass das Bein zurückgezogen wurde. Ich sah wohl auch recht erstaunt aus, denn der Bauer fragte gleich, was denn los sei. „Das Kalb lebt. Es hat grad gezuckt.“, antwortete ich und beeilte mich nun. Ich griff mit beiden Armen in die Kuh und zog vorsichtig an den Beinen des Kalbes. Es ging tatsächlich leicht. Innerhalb von Minuten hatte ich ein winziges, aber lebendiges Kalb auf dem Arm. Und ich hatte es tatsächlich auf dem Arm, denn es war so klein, dass ich es ohne Probleme allein aus der Box in sein Strohlager tragen konnte. Es war das kleinste Kalb, das ich je gesehen hatte, aber fit.
Auch die Kalbin dürfte auf dem Betrieb bleiben und lebt dort noch heute als Milchkuh.
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