Wenn ich den Leuten erzähle, dass ich Tierärztin bin, höre ich immer wieder: Oh toll, mein Kind/Enkel/sonstiger Verwandter oder Bekannter möchte das auch werden. Er/sie liebt Tiere ja so sehr. Tja,.…was soll ich da sagen.
Um ehrlich zu sein, ist meine Antwort nicht so euphorisch, wie Sie vielleicht meinen. Im Gegenteil: Ich sage Ihnen, dass derjenige nochmal ganz genau darüber nachdenken soll. Doch warum. Das beginnt schon im Studium. Das Tiermedizinstudium ist eines der längsten und schwierigsten überhaupt. Schon das 1. Semester strotzt vor Pflichtkursen und Prüfungen. Als ich mein Studium begonnen habe, war das erste Anatomietestat nach 4 Wochen, weitere 4 Wochen später das nächste und danach beinahe alle 2 Wochen. In fast allen Semesterferien liegen Praktika, Kurse oder ähnliches an. Oder natürlich Prüfungen, Vorphysikum, Physikum, Staatsexamen… In meinem Jahrgang haben 40 Leute nach 2 Wochen schon das Handtuch geworfen. Auch weil da der Punkt kommt, wo man in Anatomie beginnt die Muskeln zu lernen. An einem Ziegenbein. Von einer Ziege, die extra dafür geschlachtet wurde.
Und dann hat man das Studium irgendwann geschafft und startet in diesen Beruf. In diesen Beruf, den sich viele als Hündchen streicheln und Kälbchen retten für ein gutes Gehalt vorstellen. Die Wahrheit ist, dass das Gehalt nicht so toll ist. Ich habe bei meiner ersten Stelle vor 11 Jahren 2000 Euro bekommen. Brutto. Vollzeit. Mit Nachtdiensten. Inzwischen ist das nicht mehr ganz so. Auch als Anfänger hat man heutzutage Chancen auf eine gute Anstellung mit einem anständigen Gehalt. Denn die Leute, die sich für eine Praxislaufbahn entscheiden und dabei bleiben, werden immer weniger. Ein Grund dafür sind unter anderem die Arbeitszeiten. Denn wer sich für diesen Beruf entscheidet, muss sich bewusst sein, dass sich dieser Job nicht zwischen 9 und 17 Uhr zwängen lässt. Abgesehen von Notdiensten kann man sich auch nie sicher sein, ob man mit dem letzten Patienten wirklich 16.45 Uhr fertig um dann noch aufräumen zu können und pünktlich zum Essen zu Hause zu sein. Vielleicht hat man stattdessen noch eine Magendrehung oder eine komplizierte Geburt und zieht erst um 20 Uhr die Türe hinter sich zu. Das gehört dazu! Das ist Teil dieses Berufes!
Und was bleibt nun vom Hündchen streicheln und Kälbchen retten? Das kommt sicher vor. Doch was genauso vorkommt, sind die Patientenbesitzer, die häufig mehr Betreuung brauchen, als ihre Vierbeiner. Die aber auch alles schon vorher gegoogelt haben und deswegen genau wissen, was ihr Tier hat und wie es zu behandeln ist. Und leider kommt es auch vor, dass wir eben nicht helfen können. Und dann sind wir diejenigen, welche die Diagnose stellen, sie den Besitzern mitteilen und das Leben dieses Patienten beenden.
All das muss man sich bewusst machen. All das muss man wissen, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet. Denn Tierarzt ist mehr als Katzen knuddeln von 9-17 Uhr.
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