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AutorenbildVet-Mum

Wie der Zufall so spielt...

Seit einiger Zeit habe ich eine zweite Tierärztin in der Praxis. Das ist richtig cool, denn es mindert den Stress erheblich. Und weil ich nun gerade mehr Zeit hatte, beging ich spontan eine „gute Tat“. Ich hatte nämlich gehört, dass meine direkte Nachbarkollegin einen Unfall hatte und sich so schwer verletzt hatte, dass sie eine Weile ihre Praxis nicht betreiben konnte. Da sie die einzige Tierärztin war, hieß das, die Praxis blieb geschlossen. Mein Gedanke war nun, der Kollegin durch stundenweise Vertretung aus der Patsche zu helfen. Ich scheute mich eine Weile, dort anzurufen, weil ich mir richtig doof vorkam, so jovial irgendwie. Aber dann traute ich mich doch.


Ich sprach mit einer Sprechstundenhilfe und erklärte, dass ich von dem Unfall gehört hätte und dass die Kollegin ihre Praxis vorübergehend schließen musste. Ich bot an, einzelne Sprechstunden zu übernehmen, damit ihr die Kunden erhalten blieben. Ehrlich gesagt hatte ich richtig Angst vor der fremden Praxis und tat, was ich tat mit sehr gemischten Gefühlen. Auf der anderen Seite dachte ich: Wenn Dir mal so etwas passiert, wärst du über jede Hilfe dankbar. Und nach dem buddhistischen Prinzip muss man schon auch selbst ran, wenn man selbst im Notfall Hilfe bekommen möchte. Die Sprechstundenhilfe sagte zu, ihrer Chefin mein Angebot zu unterbreiten und wir verabschiedeten uns. Danach vergaß ich meine Idee schnell wieder.


Dann klingelte eines Tages das Telefon. Es war die Nachbarkollegin. Sie bedankte sich für mein Angebot und fragte, ob ich tatsächlich bereit sei, zwei bis drei Sprechstunden pro Woche in ihrer Praxis zu halten. Natürlich war ich das und so sagte ich zu.


Dann kam der erste Tag der Vertretung. Und glaubt mir, es war zunächst schlimmer als ich es erwartet hatte. Der Behandlungsraum war recht klein und die Praxis hatte drei Sprechstundenhilfen, die alle immer in dem kleinen Raum zusammen zu sein schienen. Es gab auch keine Gelegenheit, diesen Raum während der Sprechstunde mal zu verlassen. Ich, die ich nie so viel Personal hatte, und immer in meiner recht großen Praxis mit den drei Behandlungsräumen unterwegs bin, fühlte mich richtig ein bisschen eingesperrt. Auch das Arbeiten dort war ganz anders – klar. Ich versuchte mich gleichzeitig anzupassen und dennoch zu mir und meiner Arbeit zu stehen, denn mit einigen Dingen, die dort liefen, war ich so gar nicht einverstanden. Ich war ganz gegen meine Gewohnheit sehr unsicher und die drei Mädels, die sich mir gegenüber sehr misstrauisch zu verhalten schienen, verunsicherten mich noch mehr. Uff, das waren echt anstrengende und intensive Tage. Aber ich hielt durch und wir – ich und die Mädels – rauften uns zusammen. Am Ende hatten wir sogar richtig Spaß. Ich versuchte, so zu arbeiten, dass ich diese alteingesessene Praxis nicht revolutionierte oder die Kollegin diskreditierte und doch so, dass ich dazu stehen konnte. Nur ein/zwei Mal musste ich über meinen Schatten springen und etwas tun, was ich eigentlich abgelehnt hätte… aber so ist das eben als zeitweise Angestellte. Und ich muss zugeben, es gab auch durchaus Dinge, die diese Praxis konsequenter und ordentlicher ausführte als ich.


Nach fünf Wochen war der Spuk vorbei. Ich übergab der Kollegin ihre Praxis und war ehrlich gesagt schon erleichtert, dass ich nicht mehr „auf zwei Hochzeiten tanzen“ musste. Im Nachhinein war auch das – wenn auch anfangs schwierig – eine wichtige Erfahrung, die mich reicher gemacht hatte. Mehr als ich zunächst ahnte. ich hoffte natürlich, dass die Kollegin mit meiner Arbeit so weit zufrieden war, denn eine Rückmeldung bekam ich nicht. Sie rief nur an und bedankte sich, ich schrieb eine Rechnung und fertig.

Das alles ist längst schon Vergangenheit und ich hätte es längst vergessen, wäre da nicht vor einigen Wochen ein Anruf gekommen, mit dem ich nie gerechnet hätte. Es war die Dienstälteste der Tierarzthelferinnen, die mir zu meinem Erstaunen erzählte, dass die Kollegin ihre Praxis nun endgültig schließen würde. Sie sei schon im rentenfähigen Alter und das Gebäude stehe auch nicht mehr zur Verfügung…. Wir plauderten ein bisschen, bis die junge Dame endlich zum wahren Anliegen ihres Anrufs kam: Sie hatte ja nun keinen Job mehr und fragte mich, ob ich sie nicht brauchen könnte. Sie wünschte sich sehr, in meiner Praxis arbeiten zu dürfen, weil ihr meine Arbeit so gut gefallen habe. Ich freute mich natürlich über das Lob und musste nicht lange nachdenken: Jetzt im Januar beendet nämlich eine meiner Auszubildenden ihre Ausbildung und ich brauche einen Ersatz für sie. Da ich sowieso schon lange überlege, ob ich wirklich zwei Auszubildende behalten oder lieber eine zweite ausgelernte Kraft einstellen möchte, kam der Anruf also genau passend. Wenn das kein Schicksal ist… Und es bestätigt sich wie immer: Auch wenn Dinge manchmal schwer erscheinen, bringen sie am Ende doch oft etwas Gutes mit sich.

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