Ich gebe zu, der Titel ist überspitzt. Die Wahrheit ist, dass die meisten Menschen wissen, dass ihnen in Tierarztpraxen viele weibliche Exemplare des oben angesprochenen „Doktors“ begegnen. Was diesen Menschen aber genauso wenig wie mir bis vor kurzem bewusst war: Wie nehme ich einen weiblichen Arzt = Ärztin wahr? Hierzu eine kleine Geschichte: „Ein Vater und sein Kind haben einen Autounfall. Beide werden ins Krankenhaus eingeliefert. Der Chirurg sagt: Ich kann dieses Kind nicht operieren, es ist meins.“ Stopp, Halt – so dachte ich beim ersten Lesen dieser Geschichte: Der Vater hatte doch den Unfall. Ja – DER Chirurg ist ja auch die Mutter des Kindes. Oh. Warum steht da DER Chirurg? Wieso nicht DIE ChirurgIN? Und das ist jetzt der Knackpunkt: immer, wenn von „der Chirurg“ oder „der Tierarzt“ die Rede ist, sind Frauen „mitgemeint“. Aber: in unserem Kopf manifestiert sich das Bild des männlichen Arztes. Deshalb schenkt die übliche Patientenbesitzerin einem Mann mehr Vertrauen als einer Frau. Genauso ist auch umgekehrt das Geschlecht auf DIE Krankenschwester und DIE Tierarzthelferin festgelegt. Ein einschlägiges Lehrbuch für tiermedizinische Fachangestellte hieß früher „Die Tierarzthelferin“ – männliche Individuen wurden gar nicht berücksichtigt und so setzt es sich in den Köpfen fest, dass DER Boss der männliche Part und DIE Mitarbeiterin der weibliche Part ist. Bitte, liebe LeserInnen, gewöhnt euch an uns Frauen in Führungspositionen, wir werden alle Sparten der Tiermedizin in den nächsten Jahren befüllen – rein statistisch ist es kaum anders möglich, schon vor 20 Jahren waren 90% der Studienanfängerinnen weiblich. Wir besitzen die gleiche fachliche Kompetenz wie unsere männlichen Kollegen und Praxisvorgänger. Demnächst heißt es nur noch „Chefin“ statt „Chef“. Herzliche Grüße, Die-mit-dem-Messer-tanzt
Hallo Herr Doktor – Ähm, Sie sind ja eine Frau! Oder: Wie Sprache unsere Wahrnehmung beeinflusst.
Aktualisiert: 6. Juni 2022
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