Besonders in dieser schwierigen Zeit haben wir viele Kunden, die schlucken oder sogar schimpfen, wenn sie ihre Tierarztrechnung bezahlen sollen. Ich kann das sehr gut verstehen – immerhin muss man pro Besuch schon eine Summe in die Hand nehmen. Aber heißt das auch, dass wir Tierärzte reich werden? Ich verrate Ihnen die Antwort vorab: Nein.
Im Gegenteil wird der Beruf des Tierarztes zunehmend unattraktiv, da das Verhältnis von Stress, Druck und Arbeitsaufwand zu Verdienst absolut nicht stimmt. Das führt derzeit dazu, dass wir einen akuten Nachwuchsmangel haben. Man findet weder angestellte Tierärzte noch Nachfolger für seine Praxis. Dabei ist das Studium der Tiermedizin unvermindert beliebt und die Studienplätze sind vollständig besetzt. Doch nach den harten sechs Jahren des Studiums kommt die Ernüchterung: Das durchschnittliche Anfangsgehalt liegt bei ca. 2000 brutto für 40 Wochenstunden. Und wegen des hohen Patientenaufkommens ist nach 8 Stunden der Tag oft nicht vorbei. Überstunden, Nacht- und Wochenenddienste jagen die Arbeitszeit oft auf 60 oder mehr Stunden pro Woche hoch – ohne extra Bezahlung oder Ausgleich. Selbst nach vielen Jahren Berufsjahren liegt das monatliche Gehalt kaum über 4000 Euro - inklusive Überstunden, als Arzt! Das ist ein Job in der Industrie oder Forschung doch sehr viel attraktiver. Dass fast nur noch Frauen den Beruf des Tierarztes ausüben, macht es nicht leichter.
Aber warum ist die Bezahlung so schlecht, obwohl Ihre Tierarztrechnung doch immer so hoch ist? Das liegt daran, dass das Preisniveau in Tierarztpraxen insgesamt zu niedrig ist. Für Sie als Tierbesitzer klingt das vermutlich unglaublich. Aber Sie müssen nur einmal einen Vergleich zu einem humanmedizinischen Arzt ziehen: Unser Job ist kompliziert, weil unsere Patienten nicht mit uns reden. Wir müssen alles sein – Zahnarzt, Chirurg, Psychologe, Augenarzt, Röntgenologe, Gynäkologe, Internist und so weiter. Und wir müssen all die Geräte kaufen, die zu diesen Fachrichtungen gehören: OP Bestecke, Röntgen, Ultraschall, Zahnstation, Zahnröntgen… In meiner Praxis stehen alleine Geräte im Wert von ca. 100.000 Euro. Zudem müssen wir in Ermangelung eines Notdienstsystems Tag, Nacht und Wochenends für unsere Kunden erreichbar sein. Und dennoch nehmen wir nicht annähernd so viel ein wie ein Humanmediziner oder auch nur ein Handwerker. Wir können aber die Preise auch nicht einfach willkürlich erhöhen, denn wir sind an die Gebührenordnung für Tierärzte gebunden (GOT). Und die letzte umfassende Erhöhung gab es 2009, während die Preise des normalen Lebens sowie Lohn jedes Jahr um mehrere Prozent steigen.
ich möchte Ihnen heute erklären, warum eine Tierarztrechnung für Sie hoch, für uns Tierärzte aber dennoch zu wenig ist. Nehmen wir einmal eine durchschnittliche Sprechstunde mit vier ganz normalen Patienten: Eine Infektionserkrankung, eine Impfung, eine Nachbehandlung und einmal Lahmheit. Wie würden die Rechnungen aussehen?
1. Die Infektion
Allgemeine Untersuchung 23,00 Euro
Eingehende Untersuchung 16,00 Euro
Injektion 11,00 Euro
Antibiotikum 2,50 Euro
Abgegeben Medikamente 30,00 Euro
Gesamt zu zahlen: 82,50 Euro
Davon Leistung: 50 Euro brutto
2. Nachbehandlung
Folgeuntersuchung 20.00 Euro
Injektion 11,00 Euro
Medikament 6,50 Euro
Gesamt 37,50 Euro
Leistung 31,00 Euro brutto
3. Impfung Katze
Impfung inkl. Spritzen etc. 55,00 Euro
Impfstoffe und Wurmkur 25,00 Euro
Gesamt 80,00 Euro
Leistung 55,00 Euro brutto
4. Lahmheit
Lahmheitsuntersuchung 39,00 Euro
Injektion 11,00 Euro
Abgegebene Medikamente 35,00 Euro
Leistung 50,00 Euro brutto
Das macht in dieser absolut durchschnittlichen Stunde ein Leistungsumsatz von 186 Euro. Da Tierärzte Umsatzsteuer pflichtig sind, gehen 19% ohne Umweg ans Finanzamt. Damit bleibt von 156 Euro netto übrig. Medikamente bringen wegen des hohen logistischen Aufwands und der vielen abgelaufenen Medikamente keinen Gewinn.
An einem durchschnittlichen Praxistag haben wir eine OP (Leistung bei einer Katzenkastration z.B. 120 Euro) und vier Sprechstunden. Die restlichen 2 Stunden entfallen auf Logistik, Mailing, Telefon, Organisation, Buchhaltung und anderes. Nehmen wir im Schnitt ruhig mal hoch gerechnete 180 Euro á 5 Stunden pro Tag an. Das macht einen Nettoumsatz von 900 Euro an einem durchschnittlichen Tag. Bei 8 Arbeitsstunden macht das 115 Euro Arbeitslohn für alle vier Mitarbeiter und alle Nebenkosten wie Miete, Nebenkosten und all die teuren Geräte, die regelmäßig angeschafft und gewartet werden müssen.
Im Vergleich nimmt ein Handwerksbetrieb ca. zwischen 50 und 80 Euro für die Arbeitsstunde einer vollen Arbeitskraft und 45 Euro für einen Hilfarbeiter – pro Stunde. Bei uns sind es dann aufgeteilt – lässt man die Nebenkosten und die Miete außer Acht - ungefähr
40 Euro für die Tierärztin (Chefin)
30 Euro für jede TFA und
15 Euro für die Hilfskraft
Was also für Sie eine teure Tierarztrechnung ist, ist für uns ein Haufen Arbeit und ein im Vergleich dazu unzureichender Outcome. Hinzu kommt, dass von uns erwartet wird, dass wir 24 Stunden erreichbar sind – am besten kostenlos.
Die Erwartungen an Tierarztpraxen und ihre Umsätze sind absolut nicht mehr zeitgemäß und führen nicht nur zu einem absoluten Tierärztemangel, sondern auch dazu, dass die Notdienstversorgung unserer Haustiere nicht mehr ausreichend gegeben ist. Mehr und mehr Kliniken geben ihren Klinikstatus ab, weil sie keinen Nachwuchs finden und nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Und die kleinen Praxen sind nicht in der Lage, mit einem oder zwei Tierärzten 24/7 zu arbeiten.
Nun wird es im Oktober das erste Mal seit 13 Jahren eine Erhöhung der Gebührenordnung geben. Die Leistungen werden im Schnitt um 20% teurer. Das wird den Tierbesitzern natürlich weh tun. Für uns Tierärzte ist es immerhin etwas, aber auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Sollte sich die Zukunft so weiter entwickeln wird es nur zwei Möglichkeiten geben: Entweder werden Tierärzte deutlich teurer oder die medizinische Versorgung unserer Vierbeiner ist ernsthaft in Gefahr.
Unser Rat für Sie an dieser Stelle: Schließen Sie eine Versicherung für Ihren Liebling ab. Eine OP-Versicherung ist unbedingt notwendig. Und auch eine Vollversorgung ist eine gute Idee.
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