top of page
AutorenbildVet-Mum

Zuckersüß – aber alles andere als einfach

Es gibt kaum eine Tierart in der Welt unserer Haustiere, die so vielen Irrtümern unterliegt wie die Haltung dieser kleinen, süßen Kuscheltiere. Die Rede ist von Kaninchen. Aber sind sie das wirklich? Kuscheltiere? Weit gefehlt… die artgerechte und gesunde Haltung von Kaninchen ist alles andere als einfach. Es ist vielmehr eine Wissenschaft für sich! Und dennoch hält sich hartnäckig der Glaube, Kaninchen seien perfekte, anspruchslose und preisgünstige Haustiere, deren Betreuung man bedenkenlos in die Hände von Kindern legen könnte. Ein Irrtum, glauben Sie mir. Allerdings ist die traurige Tatsache, dass die meisten Eltern oft auch nicht mehr von diesen Tieren verstehen als ihre Kinder.

Erinnern Sie sich an früher… so vor 30 Jahren? Da saß oft ein einzelnes Kaninchen allein im Kinderzimmer in einem Käfig, der kaum größer war als Papas Stereoboxen. Einmal am Tag Fertigfutter rein, einmal pro Woche für 30 Minuten von den Kindern bespaßt, einmal im Monat sauber gemacht, fertig. … Katastrophe!

Heute sind wir zumindest ein gutes Stück weiter: Kaninchen werden meistens zu zweit gehalten. Einige leben sogar in einem großen Auslauf im Garten – ein Traum. Dennoch sehen wir nach wie vor täglich Tiere in der Praxis, deren Haltungsbedingungen alles andere als optimal sind. Artgerecht? Von wegen!

Statt des Käfigs am Zimmerboden gibt es nun meist schicke zwei Etagen-Boxen mit einem „Auslauf“ darunter. Der angebotene Raum liegt hier bei ca. 2 m² für zwei Kaninchen, viel zu wenig für diese bewegungsfreudigen Tiere. Die Idee hinter diesen Etagenwohnungen war übrigens, diese in den Garten zu stellen, der darüber hinaus Auslauf bietet. Dazu gibt es extra ein kleines Türchen unten. Leider steht das nicht in der Gebrauchsanleitung und das Türchen unten bleibt meistens geschlossen.

Darüber hinaus ist das Futter ein echtes Problem. An was denken Sie als erstes, wenn Sie an Kaninchenfutter denken? Richtig, an Möhrchen und Fertigfutter aus dem Laden. Und genau so sieht die Fütterung der meisten Kaninchen aus – vielleicht ab und an ergänzt durch Salat. Das kann man zwar so machen, aber dann ist es halt … falsch.

Denn was Kaninchenbesitzer oft nicht wissen: Kaninchen haben eins der am meisten spezialisierten Gebisse in der Tierwelt. Die kleinen Zähnchen sind messerscharf und perfekt dafür gemacht, blättriges Futter durch schnelle Bewegungen im Kreis reibend zu zerschneiden. Schauen Sie sich bei Youtube mal ein Video an, wie ein Kaninchen eine Blume frisst. Das geht rasend schnell und easy. Kaninchenzähne wachsen ein Leben lang. Damit das möglich ist, sind sie im Kiefer mit feinen Fasern quasi „aufgehängt“, statt wie bei uns fest im Knochen verankert zu sein.

Für eins sind diese Zähne deshalb absolut nicht gemacht, nämlich zum Quetschen. Doch Fertigfutter besteht aus Körnern. Die Kaninchen müssen kauen, um diese zu zerkleinern. Das schaffen sie auch und lecker sind Körner eh. Aber für den Zahnhalteapparat ist das in etwa so, als würde man ein Auto auf eine Hängebrücke werfen: Zack, Fasern zerstört. Die Folge ist, dass die Zähne in die falsche Richtung wachsen, nämlich in die Nasenhöhle und durch den Unterkiefer. Das führt zu Zahnfehlstellungen, Entzündungen und dauernden Schmerzen bis hin zu Abszessen. Und der Magen-Darm-Trakt steckt die falsche Ernährung auch nicht so einfach weg. Leider haben Kaninchen keine Möglichkeit, ihren Schmerz zu zeigen. Sie fressen bis zum absoluten Ende und wenn sie ihr Fressen einstellen, ist es oft zu spät. Kein Wunder also, dass unsere Kaninchen oft nicht sehr lange leben.


Um es also mal zusammenzufassen:


Kaninchen brauchen viel Platz – optimalerweise 3-5 m² pro Tier, frische Luft und artgerechtes Futter wie Heu und blättriges Grün. Geeignet sind Gras, Möhrengrün, Salate, Kräuter, Blattkohl etc. Ab und an ein paar Möhrchen sind okay, aber als alleinige Nahrung sind auch sie zu hart. Niemals sollten Kaninchen allein leben, sie brauchen definitiv einen Partner. Es ist übrigens gar keine gute Idee, Kaninchen mit Meerschweinchen zusammen zu halten. Sie sprechen schlicht nicht dieselbe Sprache.


Stirbt ein Partnertier, muss ein neuer Partner her. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Kaninchen stattdessen allein gehalten oder gar ausgesetzt werden. Denn die Tiere können ganz schön ins Geld gehen und viele Familien haben schnell genug von ihrer einst so guten Idee „Kaninchenhaltung“.

Und damit komme ich zum letzten und besonders in der heutigen Zeit sehr wichtigen Thema: Geld! Ja, Kaninchen kosten viel Geld – besonders im Winter, wenn frisches Gras durch Gemüse aus dem Supermarkt ersetzt werden muss – denn wir reden über ca. 600 g pro Tag und Tier täglich. Wird ein Kaninchen krank oder sollte es gar chronische Zahn- oder Gesundheitsprobleme haben, kann die Behandlung schnell in die Hunderte gehen.


Die Haltung von Kaninchen ist zudem recht arbeitsintensiv. Über das tägliche Reinigen des Stalles und das Füttern hinaus brauchen sie mindestens eine tägliche Gesundheitskontrolle. Besonders warnen möchte ich hier vor dem Befall von Fliegenmaden: Ein kleines Stück feuchter Kot im Fell und schon legen Fliegen hier ihre Eier ab. Die hungrigen Maden fressen sich dann schnell ins Kaninchen – richtig fies.


Sie sehen also: Kaninchen zu halten ist wirklich eine Aufgabe und die Verantwortung für Kinder allein viel zu groß. Wenn man es aber richtig macht, sind Kaninchen tolle und faszinierende Haustiere, die einer Familie viel Freude bereiten können.

24 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Komentari


bottom of page